(k)ein Geheimnis

Foto: Reinhard Brunner

2 Gedanken zu “(k)ein Geheimnis”

  1. In einer Gruppe über den Glauben zu diskutieren, inspiriert mich sehr. Vor allem, wenn man die Gruppenmitglieder schon etwas kennt und ein Vertrauen entstanden ist. Ich finde es spannend, was wir da alles an Ansichten und Ideen einbringen. Und jede Zusammenkunft gibt mir zu denken, bringt mich weiter.

    Wäre ich alleine in meinem Kämmerlein, würde ich mich vermutlich im Kreis drehen. Auch die Bibel oder spannende Bücher über diese könnten da nicht wirklich Abhilfe schaffen. Wenn ich mit niemandem über meinen Glauben sprechen könnte, würde dieser vielleicht sogar irgendwann verpuffen.

    Also nicht jeder für sich allein im Kämmerlein? Soll auch ich an die Bahnhofstrasse stehen und meinen Glauben hinausschreien? Nie und nimmer! Jesus hat zwar seinen Jüngern gesagt: «Geht nun hin und macht alle Völker zu Jüngern» (Mt 28,19). Die Jünger und Jüngerinnen und auch Paulus sind immer wieder verjagt und mit dem Tod bedroht worden. Die müssen wirklich Feuer und Flamme gewesen sein für diesen jesuanischen Glauben. Und ich bin auch froh darum, denn was für eine Religion hätten wir sonst wohl heute? Wohl kaum eine, die derart aufatmen lässt und die derart lebensbejahend ist, wie Jesus sie gelehrt hat. Und trotzdem bin ich absolut gegen das Missionieren.

    Also ein etwas weniger krasser Gedanke: Soll ich meinen Glauben genau so offen und ungefragt herumerzählen, wie ich über mein gestriges Erlebnis oder meine Ansicht über das Weltgeschehen berichte? Soll ich auch mein Gegenüber nach seinem Glauben ausfragen, der mich ja tatsächlich interessieren würde?

    Meiner Meinung nach ist unsere Welt heute zu kompliziert und vielschichtig, um den eigenen Glauben so auf der Zunge zu tragen. Und ich finde es tatsächlich schwierig, über meinen eigenen Glauben zu sprechen. Denn, wie soll ich mich ausdrücken? Alles, was ich formuliere, ist nur eine Spitze des Eisbergs, ein Detail, das auf der Oberfläche auftaucht, das oberflächlich tönt. Die Frage «was glaubst du?» ist genau so schwierig zu beantworten, wie wenn jemand fragt «wer bist du?». Mit formulierten Sätzen kann man sich dem Kern der Sache höchstens ein wenig annähern.

    Deshalb kann ich mir so ein Gespräch nur mit einer Person vorstellen, die mich schon kennt und die ich schon kenne, wo wir nicht bei «Null» beginnen müssen. Ein geschütztes Gespräch, vertrauensvoll. Oder dann – wie erwähnt – in der Gruppe, wo es eben genau gut ist, dass mal dieses Detail des Glaubens und mal ein anderes Detail aufscheint. Wie auch immer: Gespräche über den Glauben müssen meiner Meinung nach sein, damit der Glaube nicht stehen bleibt oder sogar einschläft.

  2. Ja, es gibt schon Leute, die es seltsam finden, dass ich zur reformierten Kirche gehöre. Da gibt es die Vorurteile, dass die Kirche verstaubt sei, sich nicht bewege, und die Gottesdienste am Sonntagmorgen sind sowieso etwas ganz Fremdes. Und es steht auch der Vorwurf im Raum, dass die Kirche sich einbilde, sie habe zu allen Geheimnissen der Welt die richtigen Lösungen.

    Je nachdem, wer mir gegenübersteht, kommt bei mir tatsächlich das Bedürfnis auf, mich zu rechtfertigen, dass ich zur Kirche gehöre. Ich kann es nicht einfach so stehen lassen, weil ich nicht möchte, dass mein Gegenüber mich in eine seltsame Schublade steckt.

    Woher kommt das? Vielleicht hat sich die Kirche in früheren Generationen tatsächlich zu autoritär gebärdet und das fällt nun auf die heutige Zeit zurück? Und dann die Missbrauchsfälle … Und vielleicht auch, weil allgemein in der Gesellschaft der Individualismus vorwärtsschreitet und die Zugehörigkeit zu Institutionen immer weniger angestrebt wird?

    Die Kirchengeschichte ist auch so ein Thema. Was hat die Kirche in den letzten 2000 Jahren nicht alles falsch gemacht. Doch ich denke, man vergisst dabei das Gute, das die Kirche auch hervorgebracht hat. Und vor allem bin ich der Kirche dankbar, dass sie die ganzen Bücher, die wir heute in der Bibel finden, über die tausende von Jahren bewahrt und weitertradiert hat. Denn wäre da die mächtige Kirche nicht gewesen, hätten wir diesen Schatz heute vermutlich nicht mehr.

    Auch habe ich im Laufe meines Lebens viele Perlen in der Kirche gefunden (nicht nur in der Kirche, aber viele davon in der Kirche). Ich könnte heute nicht mehr konkret sagen, welche Perlen das waren. Doch nur schon, dass die Kirche in unserer doch recht materialistischen Weltanschauung Raum für das Transzendente eröffnet, und das fundiert und in Jahrtausende alte Erfahrungen verwurzelt, ist meiner Meinung nach unglaublich viel wert. Jedenfalls sehe ich zurückblickend, dass hier und da eine Begeisterung in mir entfacht wurde, die meinen Lebensweg mitbestimmt hat.

    Und dann ist da die Diakonie, die immer wieder wunderbare Projekte auf die Beine stellt, immer wieder neu erspürt, was nötig ist, wo es brennt in unserer Gesellschaft und in unserem Kirchenkreis. Und die Diakonie bringt Menschen ungezwungen zusammen. Wie auf dieser Plattform in einem anderen Diskussionsbeitrag so schön erwähnt, sehe auch ich das Bild des Dorfbrunnens zu biblischen Zeiten, wo die Frauen beim Wasserholen miteinander ins Gespräch kamen. Solche «Dorfbrunnen»-Treffs stellt heute die Diakonie im Kirchenkreis 2 wieder zur Verfügung. Die Diakonie ist der Pfeiler in der Kirche, der auch heute noch von der grossen Allgemeinheit anerkannt wird.

    Aus all diesen Gründen stehe ich zu meinem Kirche-Sein. Auch wenn ich immer wieder das Bedürfnis spüre, mich zu rechtfertigen 

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